Thomas Brussig bringt die „Wahrheit“ ans Licht: Klaus Uhltzscht war es, der die Berliner Mauer zu Fall brachte – mit seinem Penis.
Titel: Helden wie wir
Autor: Thomas Brussig
Verlag: Fischer Taschenbuch Verlag (2011)
Genre: Roman (323 Seiten)
Buchtipp unserer Praktikantin
Kurzinhalt von Thomas Brussigs Helden wie wir:
Mr. Kitzelstein, ein Reporter der New York Times, will einen Artikel über den Ich-Erzähler mit dem unaussprechlichen Namen Klaus Uhltzscht veröffentlichen, der schier Unglaubliches behauptet: ein „mauersprengendes Volk“ habe es nie gegeben, denn in Wirklichkeit habe er höchstpersönlich die Berliner Mauer zum Einsturz gebracht – und zwar mit seinem Penis.
Doch die Frage, wie der Romanheld das bewerkstelligt hat, lässt Thomas Brussig bis zum Ende unbeantwortet. Zunächst erzählt der Protagonist über 300 Seiten seine gesamte Lebensgeschichte: Geboren am 20. August 1968, wächst Klaus in Ostberlin auf, direkt gegenüber dem Ministerium für Staatssicherheit. Als Sohn einer überfürsorglichen, pedantischen „Hygieneinspektorin“ und eines autoritären, misslaunigen Stasispitzels wird er stets kleingehalten und entwickelt deshalb Minderwertigkeitskomplexe, die sich vor allem auf seine Sexualität und sein vermeintlich zu kleines Glied beziehen. Mit der Zeit zeigen sich bei Klaus deutlich perverse Neigungen, und sein Wunsch, sich zu beweisen, mündet in einen unrealistischen Größenwahn – beispielsweise möchte er Nobelpreisträger werden.
Um seinen Vater, der ihn für einen Versager hält, stolz auf ihn zu machen, tritt Klaus Uhltzscht sogar der Stasi bei, obwohl dies seiner persönlichen Einstellung in höchstem Maße widerspricht. Gemeinsam mit seinen drei schrulligen Kollegen Eulert, Wunderlich und Grabs geht er bizarren Tätigkeiten nach, die ihm oftmals lächerlich und unnütz erscheinen.
Ganz unbeabsichtigt leistet er schließlich seinen erhofften Beitrag für die Gesellschaft: Nach einer Operation aufgrund einer Verletzung vergrößert sich sein Penis immens. Auf dem Weg zu einer alten Bekannten, die ihn einst wegen seiner „Kleinen Trompete“ ausgelacht hatte, kommt er am 9. November 1989 zufällig an der Bornhomler Straße vorbei, wo versammelte DDR-Bürger die Öffnung der Grenze fordern. Angesichts der Unfähigkeit der Menge, die Grenzbeamten zu überzeugen, entblößt Uhltzscht geistesgegenwärtig sein übergroßes Glied und nutzt den Schockmoment der Anwesenden, um das Grenzgitter aufzustoßen.
Warum mir der Roman Helden wie wir von Thomas Brussig so gut gefällt:
In seinem Wenderoman vermischt Thomas Brussig mit viel Witz und Zynismus die realen, gesellschaftlichen Geschehnisse der DDR-Zeit und des Mauerfalls mit der ungeheuerlichen Geschichte des fiktiven Romanhelden.
Die teils unspektakulären und lächerlichen Aufgaben, die Klaus Uhltzscht bei der Stasi zu erledigen hat, verharmlosen das ehemalige Ministerium für Staatssicherheit keinesfalls, sondern erwecken vielmehr Betroffenheit und Ungläubigkeit darüber, mit welch einfachen Methoden der Staatssicherheitsdienst die DDR-Bürger derart einschüchtern konnte. Auch die Thematik der durch die Eltern unterdrückten Sexualität Uhltzschts ist nicht zufällig gewählt, sondern spiegelt die mangelnde Freiheit unter dem autoritären und repressiven DDR-Regime wider.
Der Roman ist in Umgangssprache geschrieben, und Thomas Brussigs eindeutiger und teils obszöner Schreibstil bringt die wirren Gedanken des perversen, größenwahnsinnigen und von Komplexen geplagten Ich-Erzählers auf den Punkt.
Helden wie wir ist nicht nur eine derbe, humorvolle Aufarbeitung der späten Geschichte der DDR, sondern vor allem eine Parodie auf DDR-Schriftsteller, im besonderen Christa Wolf, die im Roman mehrmals Erwähnung findet. Das letzte Kapitel „Der geheilte Pimmel“ veralbert beispielsweise Wolfs Erzählung „Der geteilte Himmel“ von 1963. Über die Meinung des Ich-Erzählers transportiert Thomas Brussig seine eigene Kritik an der Kleinbürgerlichkeit der DDR-Intellektuellen und deren politischer Angepasstheit.
Alles in allem ist Helden wie wir ein höchst unterhaltsames und vergnügliches Buch, das sich auch wunderbar als Urlaubslektüre eignet.