Alle Jahre wieder kürt die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) im Dezember das Wort des Jahres. Der „Gewinner“ 2012 ist ein Begriff aus der Wirtschaft: Rettungsroutine. Die GfdS begründet ihre Wahl damit, dass dieses Wort nicht nur das dauerhaft aktuelle Thema der instabilen europäischen Wirtschaftslage widerspiegelt, sondern auch die zahlreichen, wiederkehrenden Maßnahmen zu deren Stabilisierung. Sprachlich auffallend ist die gegensätzliche Bedeutung der beiden Wortbestandteile: Während eine Rettung eine unmittelbare, aber abgeschlossene Handlung darstellt, basiert Routine – als Lehnwort aus dem Französischen – auf einer sich wiederholenden oder auf Dauer angelegten Entwicklung. Wie kommt die Gesellschaft für deutsche Sprache zu ihrem Votum? Sie betont, dass für die Wahl zum Wort des Jahres nicht die Häufigkeit der Nennung, sondern die Popularität und Signifikanz ausschlaggebend seien.
Und nun die weiteren Platzierungen: Auf dem 2. Rang der Worte des Jahres befindet sich Angela Merkel als Kanzlerpräsidentin. Hier ist auf sprachlicher Ebene ein bemerkenswertes Phänomen zu beobachten, da das Hauptwort dieser Verbindung ja Präsidentin ist, obgleich Merkel Kanzlerin ist. Es stehen sich also zwei gleichwertige Wortbestandteile gegenüber, deren Kopf sich nicht eindeutig bestimmen zu lassen scheint, wodurch eine Deutung offen bleibt. So legt die deutsche Bundeskanzlerin ab und an auch die neutralen und zurückhaltenden Eigenschaften eines deutschen Bundespräsidenten an den Tag.
Als gelungener Kampfbegriff der Gegner des Betreuungsgelds belegt das Wortungetüm Bildungsabwendungsprämie Platz 3 der Liste und drückt damit genau das aus, was Kritiker der Prämie befürchten. Den Schlecker-Frauen, dem Verb wulffen, das uns nach „guttenbergen“ im letzten Jahr jetzt ins Haus steht, der Netzhetze sowie dem in der physikalischen Sphäre angesiedelten Gottesteilchen werden auf den weiteren Rängen Ehre zuteil. War die Existenz dieses Teilchens jahrzehntelang bloß angenommen worden, gelang dem CERN erst in diesem Jahr mit dem Nachweis des Higgs-Bosons bzw. Higgs-Teilchens der Durchbruch. Seinen populären, wissenschaftlich nicht verwendeten Namen erhielt das Gottesteilchen nach einem Buch, dessen ursprünglicher Titel „Das gottverdammte Teilchen“ der Zensur zum Opfer fiel.
Auch unsere Texter, Lektoren und Übersetzer verfolgten wie alle Welt aufmerksam das Schicksal der russischen Punkband Pussy Riot, die für ihr Punk-Gebet – auf Platz 8 unserer Liste – in einem Schauprozess überaus hart mit Arbeitslager bestraft wurde. In einer Performance in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale hatten sich die Künstlerinnen mit Wollmützen als Markenzeichen vor allem gegen den russischen Präsidenten gerichtet.
Verflucht scheint das Projekt des Berliner Großflughafens Willy Brandt: Aufgrund von baulich bedingten Sicherheitsmängeln wurde die für dieses Jahr geplante Eröffnung mehrfach verschoben, die Kosten stiegen in die Höhe. All dies brachte dem Airport auf Platz 9 die Bezeichnung Fluch-Hafen ein.
Zu guter Letzt wählte die Jury die Phrase „ziemlich beste“ ins Ranking. Nach dem Erfolg des US-Films „Ziemlich beste Freunde“ zu Beginn des Jahres war diese Floskel als Musterbeispiel dafür, dass man selbst einen Superlativ relativieren kann, in aller Munde.
Diese Wörter belegten die ersten zehn Plätze bei der Wahl zum Wort des Jahres 2012
- Rettungsroutine
- Fluch-Hafen
- ziemlich beste …
- Kanzlerpräsidentin
- Bildungsabwendungsprämie
- Schlecker-Frauen
- wulffen
- Netzhetze
- Gottesteilchen
- Punk-Gebet
Einen Rückblick auf die Wörter der Jahre 2007 bis 2011 finden Sie in diesem Artikel.
Uns würde interessieren, welches Ihr persönliches Wort des Jahres ist – und welches Ihr Unwort!
Wir freuen uns auf Ihre Kommentare und wünschen Ihnen schon jetzt ein fantastisches Jahr 2013!
Viele Grüße aus Köln
Ihr Team von Wort für Wort