McEwan erzählt die tragische Geschichte zweier frisch Vermählter in einer Gesellschaft, deren Wandel noch auf sich warten lässt
Titel: Am Strand
Autor: Ian McEwan
Übersetzerin: Edith Nerke
Verlag Diogenes (2008)
Genre: Roman (208 Seiten)
Kurzinhalt von Ian McEwans Am Strand:
Ian McEwan erzählt die Geschichte der Hochzeitsnacht von Florence und Edward, einem jungen Paar in den frühen Sechzigern. Während Edward lediglich von Unsicherheit geplagt ist, weil er Angst hat, bei seinem ersten Mal zu früh „abzuschließen“, leidet Florence unter einem ganz anderen Dilemma: Die Vorgänge in der Hochzeitsnacht sind für sie eine unausweichliche Pflicht, doch der Gedanke an so viel Nähe und Körperkontakt erfüllt sie mit Schrecken und Ekel. Florence liebt Edward aus ganzem Herzen und ist sich schon im Vorfeld der Hochzeitsvorbereitungen sicher, dass mit ihr „etwas nicht stimmt“. Doch im England von 1962 scheinen die zukünftigen Umwälzungen der Gesellschaft noch in weiter Ferne und es ist für Florence schier unmöglich, Rat zu suchen oder auch nur herauszufinden, ob sich ihre Gefühle von denen anderer Frauen unterscheiden. Da weder Florence noch Edward ihre Ängste und Gefühle in Worte fassen können, kommt es in der Hochzeitsnacht zu einem tragischen Missverständnis, das sich nicht wieder aus dem Weg räumen lässt.
Warum mir McEwans Roman so gefällt:
„Am Strand“ ist ein kleines Buch, vollgepackt mit Emotionen. Durch den distanzierten Stil wird die Isoliertheit der Gedanken von Florence und Edward für den Leser greifbar. In den Köpfen von Braut und Bräutigam spielt sich zwar viel ab, sie deckeln ihre Gefühle jedoch hinter einer Maske der Höflichkeit und Anständigkeit, ganz wie es sich gehört. Ganz langsam bahnt sich so die Katastrophe an: Um ihre starken Gefühle von Abscheu zu verstecken, tritt Florence die Flucht nach vorn an. Edward ist überrascht davon, wie scheinbar zielgerichtet Florence das Ruder übernimmt, und fühlt sich ihren vermeintlichen Erwartungen nicht gewachsen. So kommt es, dass Edward Florences Verhalten als Kritik an seiner Unerfahrenheit verstehen muss. Zutiefst verletzt, können die beiden die Mauer des Schweigens nicht überwinden. Besonders tragisch erscheinen die Entwicklungen zwischen Florence und Edward angesichts der Veränderungen der gesellschaftlichen Sicht auf Sexualität und Beziehungen, welche schon wenige Jahre später stattfinden sollten und vom Autor auf behutsame Weise mit in die Geschichte eingebracht werden.